Herkömmliche Arbeitskleidung und Zunftkleidung

Holzarbeiten am TragwerkDie traditionelle Dachdeckerbekleidung gehört zu der sogenannten Zunftkleidung (auch Zunftbekleidung oder Kluft genannt). Bei der Dachdeckerkleidung handelt es sich, wie bei anderer Zunftbekleidung auch, um die traditionelle Tracht eines Handwerksgesellen, die insbesondere von wandernden Gesellen während der sogenannten Wanderjahre (oftmals auch als „Walz“ bezeichnet) getragen wird.

Typischerweise tragen Dachdecker robuste Cordhosen, die über zwei Reißverschlüsse an der Vorderseite sowie mit Leder (oder Kunstleder) verstärkte Taschen verfügen. Oftmals befinden sich an den Knien der Hosen zusätzliche Taschen, die spezielle Kniepolster aufnehmen können. Hinzu kommen in der Regel diverse weitere Taschen, etwa für Messer und Zollstock (Gliedermaßstab).

Vielfach wird unter Dachdeckerbekleidung auch einfach Arbeitskleidung verstanden, die sich für den Beruf des Dachdeckers eignet. Arbeitskleidung für das Handwerk zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass sie besonders stabil ist und verschiedene Taschen, Schlaufen und dergleichen bereithält, um die jeweils benötigten Werkzeuge besser bei sich führen zu können. Die Beschaffung der Kleidung obliegt in der Regel dem Arbeitnehmer, in vielen Fällen wird diese allerdings vom Arbeitgeber unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Bei gesetzlich angeordneter Schutzkleidung muss der Arbeitgeber allerdings die Kosten für die Anschaffung übernehmen oder diese zur Verfügung stellen.

Dachdeckerbekleidung: Zwischen Tradition und Moderne

Im wahren Wortsinne auf dem Dach zu stehen, verlangt mehr als handwerkliches Geschick: Es verlangt Schutz, Bewegungsfreiheit und die stolze Identität eines Handwerks. Dachdeckerbekleidung erfüllt all diese Funktionen – sie sichert den Arbeiter gegen Witterung und Gefahren auf der Baustelle ab und verkörpert zugleich eine jahrhundertealte Zunfttradition. In diesem Artikel untersuchen wir, wie sich die Zunftkleidung der Dachdecker mit ihrem historischen Erbe und markanten Merkmalen vom pragmatischen Alltagsoutfit heutiger Handwerker unterscheidet, welche gesetzlichen Vorgaben für Arbeitskleidung gelten und wie moderne Entwicklungen und Materialien den Kleidungsstil weiter prägen.

Die Wurzeln der Zunftkleidung

Die Dachdeckerzunft ist eines der ältesten Handwerke Europas, dessen Gesellen seit dem Mittelalter ihre fertigen Werke nicht nur durch fachmännische Kunst, sondern auch durch ihre äußere Erscheinung verkündeten. Die Zunftkleidung – im Handwerkerjargon auch Kluft genannt – entstand als erkennbares Zeichen der Zusammengehörigkeit, des Könnens und des Ranges innerhalb der Zunft. Sie war lange Zeit weit mehr als ein praktisches Outfit: Sie war ein Symbol für Ehre, Solidarität und den Abschluss einer Lehre.

Während der „Walz“, der traditionellen Wanderjahre nach Abschluss der Gesellenprüfung, trugen reisende Dachdecker ihre Kluft mit Stolz. In Dörfern und Städten wussten Gastwirte, Handwerksmeister und Mitgesellen durch das Erscheinungsbild: Hier kommt ein vollwertiger Zunftbruder. Gleichzeitig gewährte das einheitliche Outfit einen gewissen Schutz vor schlechtem Wetter und bot mit seinen zahlreichen Taschen und Verstärkungen sofortigen Zugriff auf Werkzeuge und Hilfsmittel.

Bestandteile und Merkmale der traditionellen Dachdeckerkluft

Die Herzstücke der Dachdeckerzunftkleidung sind die Cordhosen und die Zunftjacke. Cordhosen bestehen aus widerstandsfähigem, dicht gewebtem Baumwollcord, dessen Rippenstruktur besonders robust und strapazierfähig ist. Typischerweise sind sie in tiefem Schwarz oder Dunkelblau gehalten – Farben, die Schmutz kaschieren und das edle Erscheinungsbild unterstreichen. An der Vorderseite verlaufen zwei Reißverschlüsse, die nicht nur ein komfortables An- und Ausziehen ermöglichen, sondern auch eine doppelte Stofflage erzeugen, die den Schrittbereich verstärkt. Leder- oder Kunstlederflicken an den Taschen verhindern ein schnelles Abnutzen dort, wo Hammer, Zollstock und Meißel häufig eingesteckt werden.

An den Knien befinden sich oft zusätzliche Einschubtaschen für Kniepolster, die das Arbeiten in kniender Haltung deutlich erleichtern. Diese Polster schützen nicht nur die Gelenke, sondern schaffen auch Isolation gegen Feuchtigkeit und Kälte. Die Jacke der Dachdeckerkluft ist typischerweise kurz geschnitten, um Bewegungsfreiheit beim Heben und Strecken zu gewährleisten, und weist breite Kragen sowie robuste Knöpfe aus Messing oder Stahl auf. Dazu gehören Zunftweste, Mütze oder Filzhut mit Zunftabzeichen und manchmal ein Tuch als Schal, das sowohl schmückend als auch funktional gegen Wind eingesetzt wird.

Die Rolle der Zunftkleidung im Handwerksalltag

Zunftkleidung dient nicht nur repräsentativen Zwecken, sondern hat bis heute praktische Bedeutung. Sie schützt gegen Splitter und Funken beim Arbeiten mit Metallteilen, gegen Holzspäne beim Zuschneiden von Dachlatten und gegen Witterungseinflüsse jederzeit. Ihre robuste Machart erlaubt den Einsatz in fast allen Bereichen des Dachdeckerhandwerks – vom Gerüstaufbau über das Eindecken mit Tonziegeln, Schiefer oder Metallbis hin zur Montage von Dachfenstern und Solarzellen. Auch bei offiziellen Anlässen wie dem Richtfest oder dem Tag der offenen Tür tragen viele Dachdecker ihre Zunftkleidung, um Tradition und Gemeinschaftssinn zu demonstrieren.

Dabei bleibt die Kunst, die einzelnen Teile der Kluft richtig zu kombinieren, eine wichtige Fähigkeit: Ein falsch geknöpfter Kragen oder eine unpassende Mütze gilt unter Zunftbrüdern als grobe Missachtung der Tradition. Genau wie die handwerkliche Fertigkeit wird das Tragen der Kluft in der zünftischen Ordnung geregelt und überwacht.

Von der Zunftkleidung zur modernen Arbeitskleidung

Parallel zur traditionellen Kluft hat sich in den letzten Jahrzehnten eine moderne Arbeitskleidung für Dachdecker etabliert, die rein funktional ausgerichtet ist und weniger kulturelle Symbolkraft beansprucht. Diese Alltagskleidung besteht aus robusten Arbeitshosen aus Mischgewebe oder Canvas, Softshell-Jacken und atmungsaktiven, wasserabweisenden Oberteilen. Sie ist so konzipiert, dass sie leichte Bewegungen und körperliche Anstrengungen unterstützt, dabei Schutz vor Regen und Kälte bietet und durch zahlreiche Taschen, Schlaufen und Karabinerhaken das Mitführen von Werkzeug und Zubehör vereinfacht.

Im Gegensatz zur Zunftkleidung bestehen moderne Arbeitsjacken oft aus synthetischen Fasern wie Polyester oder Polyamid, die pflegeleicht und deutlich schneller trocknend sind. Arbeitshosen aus Canvas-Mix mit Ripstop-Struktur garantieren höhere Reißfestigkeit. Kniepolstertaschen wurden übernommen, wobei hier oft elastische Einsätze oder Klettverschlüsse zum Einsatz kommen. Viele Hersteller statteten ihre Bekleidung mit reflektierenden Streifen für bessere Sichtbarkeit in dämmerigen Lichtverhältnissen aus – ein wichtiger Sicherheitsaspekt auf Baustellen.

Gesetzliche Vorschriften und Arbeitgeberpflichten

Egal ob Zunftkleidung oder moderne Arbeitskleidung: gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung darf der Arbeitgeber nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen. Laut der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der EU‑Richtlinie 89/656/EWG ist der Arbeitgeber verpflichtet, persönliche Schutzausrüstung (PSA) bereitzustellen, wenn Gefährdungen am Arbeitsplatz vorliegen. Dazu zählen Schutzhelm, Schutzhandschuhe, Sicherheitsstiefel mit Stahlkappe und gegebenenfalls Gehör- und Augenschutz.

Während Zunftkleidung als kulturelles Gut nicht unter die Pflichtausrüstungen fällt, muss der Betrieb sicherstellen, dass zusätzlich benötigte PSA kostenfrei zur Verfügung steht. Moderne Arbeitskleidung, die über die reine PSA hinaus Schutzfunktionen (z. B. flammhemmende Materialien oder Schnittschutz) bietet, kann der Arbeitgeber ebenfalls bereitstellen oder zulassen, dass die Mitarbeiter eine eigene, gleichwertige Bekleidung nutzen.

Ökologie, Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektiven

Die Diskussion um Nachhaltigkeit macht auch vor der Arbeitskleidung nicht Halt. Immer häufiger setzen Handwerker auf langlebige, reparaturfreundliche Zunftstücke oder auf moderne Arbeitskleidung aus nachhaltigen Fasern wie Bio-Baumwolle, recyceltem Polyester oder Lyocell (Tencel). Repair‑Kits und Patches ermöglichen es, kleine Risse in Cordhosen oder Canvas-Arbeitshosen rasch und dauerhaft zu schließen. Einige Hersteller bieten zudem Mietmodelle an, bei denen Arbeitgeber Ihre Teams mit regelmäßig gewarteter Schutz- und Arbeitsbekleidung ausstatten können, während abgenutzte Teile durch neue ersetzt werden.

Parallel dazu schwappten Innovationen aus dem Sport‑ und Outdoor-Bereich in die Handwerkskleidung: Softshell-Materialien mit hoher Atmungsaktivität, Membranen, die Wasser und Wind abhalten, sowie Belüftungssysteme verbessern das Mikroklima am Körper. In Kombination mit Fußschutz, der orthopädische Einlagen und stoßdämpfende Sohlen integriert, entsteht so eine ganzheitliche Schutz- und Komfortausrüstung, die den modernen Dachdecker fit hält.

Zunftkleidung heute: mehr als nur Nostalgie

Obwohl sich viele Dachdecker für den Arbeitsalltag für funktionale moderne Bekleidung entscheiden, erlebt die Zunftkleidung als Kulturgut eine Renaissance. Bei öffentlichen Festen, Jubiläen von Betrieben und Zunfttreffen werden Kluftträger wieder zahlreicher. Gerade in Zeiten, in denen Handwerk und Tradition häufig in Vergessenheit geraten, schafft die Kluft eine sichtbare Verbindung zu den Wurzeln des Dachdeckerhandwerks und fördert den Generationendialog. Junge Gesellen erhalten dadurch ein konkretes Stück Handwerkskultur in die Hände, und die Älteren erinnern sich an die eigenen Walz‑Jahre und an die Werte, die diese Reisen vermittelten.

Dachdeckerbekleidung vereint in spannender Weise Gebrauchs- und Kulturobjekte. Einerseits steht die traditionelle Zunftkleidung mit ihren Cordhosen, Zunftjacken und Kniepolstern, die ein lebendiges Stück Handwerksgeschichte bewahrt. Allerdings hat die moderne Arbeitskleidung mit Hightech-Materialien, ergonomischem Schnitt und umfassendem Schutz ihren Platz auf den Dächern der Gegenwart gefunden. Beide Varianten folgen demselben Ziel: den Dachdecker in seiner Arbeit zu unterstützen und ihn gleichzeitig als Teil einer großen Gemeinschaft erkennbar zu machen. Gesetzliche Vorgaben der DGUV und EU schreiben vor, welche Schutzausrüstung bereitgestellt werden muss, während Nachhaltigkeitsbestrebungen und innovative Textiltechnologien zeigen, wie sich der Branchen‑Look weiterentwickelt. Wer als Dachdecker oder Bauherr die richtige Bekleidung wählt, sichert sich Komfort, Sicherheit und ein Stück gelebter Tradition.


Dachdecker und Auszubildende in traditioneller Kleidung und herkömmlicher Arbeitskleidung sieht man beispielsweise in diesem Imagefilm der Dachdecker-Innung Bremen.